Tauchen wir ein in die Welt des Radfahrens, des Radsports. Starten wir gleich mit dem passenden Wording fürs Vorwort. Während dieses bei den anderen drei Magazinen aus unserem Verlag mit „Editorial“ übertitelt wird, scheint hier der Prolog angemessen. Im Sinne seiner Bestandteile „pro“ und „logos“ – aber wesentlicher scheint uns, dass der Prolog das Auftaktrennen im Radsport bezeichnet.
Der Startschuss zu dieser Ausfahrt fiel im Juli 2020. Wir hatten die Schockphase der ersten Monate der bizarren C-Phase überwunden und gelernt, auch aus dem Home-Office heraus zusammenzuarbeiten. Alle drei Magazin-Projekte stehen seit dieser Zeit auch digital am Markt. Der Virus hatte uns genötigt, die Phase der Digitalisierung als „Sprintzug“ zu fahren (was das ist, lest ihr in den Interviews von Marcel Sieberg und Phil Bauhaus).
Jetzt war es an der Zeit für eine Rast, für Besinnung und für Überlegungen, ob es weitere spannende Routen geben könnte, die wir fahren sollten. Plötzlich lag sie im Raum, die Idee für ein BikeMagazin – zugeschnitten auf diese Region. Zwei Backstage-Gespräche mit örtlichen Händlern ergaben: Super Idee – suboptimaler Zeitpunkt – denn: „Wir haben keine Fietsen mehr.“
Okay, Idee auf Eis gelegt. Mitte 2022 wurden wir auf eine Ausschreibung aufmerksam, wonach die LEADER-Region „Bocholter Aa“ aufrief, Kleinprojekte einzureichen, die auf diese Region einzahlen. Nach Juryentscheid wurde uns mitgeteilt, dass der Druck dieser analogen Erstausgabe, die ihr, liebe Leserinnen und Leser, in den Händen haltet, mit 80 Prozent aus LEADER-Mitteln finanziert wird.
Nachdem wir den gesamten deutschsprachigen Raum auf BikeMagazine durchforstet und alle Belegexemplare zur Ansicht bestellt hatten, stand eine Entscheidung an. Bestärkt durch unseren Besuch auf der IndieCon in Hamburg, einer weltweiten Messe für Independent-Magazine, reifte der Entschluss, das BikeMagazin in einem amtlichen Coffee-Table-Format zu verlegen. Ein Novum für den deutschsprachigen Raum – insbesondere für ein regionales BikeMagazin. Antizyklisch zu vielen Magazinen, was deren Entwicklungen in Bezug auf Formate, Haptik und Umfang angeht.
Warum? Weil die Schönheit unser fahrradfreundlichen Region es verdient hat, angemessen präsentiert zu werden. Und … weil das Gros der Bevölkerung in dieser Region in einem Alterssegment unterwegs ist, wo man ein gutes Magazin zu schätzen weiß und gerne darin schmökert. Fürs digitale Schmökern gibt es übrigens zwei Varianten dieses Magazins auf unserer Website.
Vor dem eigentlichen Startschuss, dem Eintauchen in diese Materie, stand erst einmal die Fietsen-Inventur unseres BikeParks an.
Die Staubschichten auf den Velos in unserer Garage bestätigten den Verdacht, dass wir uns seit mehr als elf Jahren vom Fahrradfahren entwöhnt hatten. Bedingt durch unsere Fellnasen Paula und ihren Vorgänger Paul waren wir fast ausschließlich zu Fuß oder mit dem PKW unterwegs. Somit standen zur Entmottung an (dem Alter nach): Auf der Seite des Herausgebers: Eine „Rotwein-Fietse“ für sporadische, gesellige Ausfahrten. Ein Batavus „Favoriet“ – made in Holland … und dies möglicherweise vor mehr als 50 Jahren. Sowie ein Red Bull „Multisport“, welches ich vor ca. 20 Jahren nigelnagelneu bei BikeTown Rose erstanden habe. In den Speichen des Hercules „Nepal“ der Herausgeberin (meiner Gattin) deuteten die Spinnennetze darauf hin, dass das Gefährt auch schon lange nicht mehr im Himalaya bewegt wurde.
Einzig das Verlags-Cargo-Bike von Butchers & Bicycles dürfte weniger als ein Jahrzehnt auf dem Tacho haben. Hochdruckwäsche und kleinere Reparaturen standen an, bis die drei BioBikes aufgehübscht und fahrtüchtig waren – bereit, mit uns in die Szene einzutauchen. Unsere Eintrittskarte für den Anspruch „allen Alters- und Leistungsklassen gerecht zu werden“ – wenn auch nur auf Stehplatz-Niveau.
So gewappnet tauchten wir in eine Welt ein, zu der wir lange den Bezug verloren hatten. Wir lernten unsere Heimatstadt, unsere Region vollkommen neu kennen und lieben.
Aus zurückliegenden Projekten wissen wir, dass es zu den Ur-Sehnsüchten der Menschen gehört, ins Feuer und aufs Wasser zu schauen. Beide Elemente haben eine beruhigende Wirkung, vermitteln ein Gefühl von Frieden und Freiheit. Eine gute Möglichkeit, sich zu entspannen und die Gedanken schweifen zu lassen.
Naheliegend als Erklärung, warum wir alle so gerne am Meer, an Flüssen und Bächen unterwegs sind. Apropos unterwegs sein: Wie gelangte der RADius zu seinem Namen und welcher Gedanke liegt dahinter?
Ausgehend von der Fahrradstadt Bocholt, der Heimat unseres MÜ12-Verlages, haben wir die durchschnittliche Reichweite eines eBike-Akkus von ca. 120 Kilometern angenommen. Diese verteilt auf Hin- und Rückweg, hat uns bei 60 Kilometern den latenten Zirkel ansetzen lassen, wie ihr ihn auf der Karte seht. Nicht als Dogma, sondern als Idee, so zu starten mit unserem regionalen BikeMagazin.
Mit diesen Gedanken war der Name RADius quasi gesetzt. Das kleingeschriebene ius erinnert uns an den Geist, der diesem Magazin innewohnt: inspirierend, unplugged und smart. Das petrolfarbene Symbol steht für die Aa – der Punkt, für deren Ursprung in Velen. Möge er uns immer daran erinnern, woraus alles entstanden ist – auch dieses Magazin.
Und so haben wir ab September 2022 Fahrt mit diesem neuen Magazin aufgenommen. Im Epilog am Ende dieser Erstausgabe resümieren wir, wie es uns auf dieser ersten Etappe
ergangen ist.
Zwischen 1835 und 1909 bereicherte ein gewisser Cesare Lombroso diesen Planeten. Von Beruf Arzt, Professor der gerichtlichen Medizin und Psychologie. In dieser Eigenschaft entwickelte er die eine oder andere Theorie, die uns aus heutiger Sicht möglicherweise fragwürdig vorkommen könnte – um es respektvoll zu vernebeln.
So gab es Studien aus seiner Feder, wonach man den geborenen Verbrecher an seiner Schädelform erkennen konnte. So habe der klassische Betrüger einen Eierkopp, der Totschläger einen Kanister-Kopp oder ähnlichen Kokolores. Ich bekomme das nicht mehr genau hintereinander – weil nicht gehirn-kompatibel … zumindest nicht mit meinem. Was aber, wenn da doch etwas dran ist? Wenn man aus den Gesichtern von Menschen ableiten kann, womit sie sich beschäftigen … was ihre Profession ist?
Wenn ihr Lust auf ein kleines Experiment habt, wenn ihr wissen wollt, ob und was ihr aus einem Gesicht lesen könnt, stellen wir euch nunmehr 14 Charaktere in einer etwas anderen Form der Inhaltsangabe vor. Allesamt BikerInnen, allesamt aus der Region. Schaut mal, ob ihr deren Bezug zum Fahrradfahren erahnt bekommt. Wir freuen uns, euch diese Menschen im Laufe dieses Magazins genauer vorzustellen.
Um es nicht unnötig kompliziert zu machen, haben wir bei allen Funktionen deren männliche Schreibweise gewählt. Bedenkt bitte, dass sowohl Funktion als auch Erfolge eine Zeitlang zurückliegen könnten.
Welchem dieser Herren traut ihr zu, quasi eine kleine Armee von Clowns kreiert zu haben, und wer könnte der Präsident eines legendären Radfahrclubs sein? Ein CSR-Manager, wovon wir bis vor wenigen Wochen nicht wussten, was das ist und was der macht. Ein Teilnehmer an einer Olympiade, der sich im Zielsprint die Silbermedaille angelte – wobei die Art des Metalls für ihn nicht so wichtig war. Ein Beigeordneter einer Stadtverwaltung in unserer Region, zuständig für den Bereich Bauen, Umwelt und Verkehr – der relativ jung sein Amt angetreten hat. Sowie ein Sprinter, der zu den Top 10 auf diesem Planeten gehört/e. Wie sieht der klassische Indoor-Cycle-Instructor aus? Die Chancen stehen 1:4, das zu erraten – es sei denn, ihr habt das Talent, das aus den Gesichtern lesen zu können. Welches Gesicht sieht erfahren genug aus, insgesamt neunmal die Tour de France gefahren zu sein? Unter hinter welchem stecken die Funktionen des Geschäftsführers einer Wirtschaftsförderungs- und Stadtmarketing-Gesellschaft? Welchem Charakter würdet ihr zutrauen, Regionalkoordinator für einen Touristik-Verband zu sein und zugleich Gravel-Bike-Fetischist? Einen Menschen, den viele Mister oder Misses Shimano nennen, der „Steil ist geil“ toll findet und auch schon mal bis zu 100 km/h mit seinem Rad erreicht, wenn es den Berg runtergeht. Einen Beauftragten für die Touristikbranche, der vornehmlich mit seinem Cube-Mountainbike unterwegs ist, an Orten, die nur ganz wenige in dieser Region kennen? Einen Menschen, der gerne mit Delfinen schwimmt und dessen Name „Radmonster“ überhaupt nichts mit seinem Äußeren zu tun hat. Und zu guter Letzt, einen entschleunigten Freigeist, der selbst Paul Bocuse mit seiner Interpretation von BikeFood in Verzückung versetzt hätte?