Mo.-Fr., 8 – 17 Uhr

M

Kontakt 

Münsterstraße 12,
46397 Bocholt

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Follow Us

Moving-Interview-Session  mit dem Stadtbaurat

Feb 24, 2023 | BikePeople

Indian-Summer-Tour
mit Daniel Zöhler 

Donnerstag, 03. November 2022 I 12:00 Uhr I Garagenhof des MÜ12-Verlages

Im Kalender steht „Fahrradtour zu  Hotspots des Mobilitätskonzeptes der StadtBocholt mit Daniel Zöhler“.  iPhone raus Wetter-Check: Es soll stabil bleiben. Gut so kein neuerliches wetterbedingtes Delay.

Unsere RADius-Projekt-Verstärkung Max hat seine Premiere mit unserem Lastenrad erfolgreich hinter sich gebracht. Das gute Stück bereichert seit ungefähr acht Jahren unseren Fuhrpark seinerzeit noch als Bio-Bike angeschafft. Max´ gestrige Jungfernfahrt fiel noch unter das von Silbermond besungene Credo „mit leichtem Gepäck“.  Das ist heute anders. Kameras, Objektive, Stative etc. wandern in den Lasten-Behälter oberhalb der beiden Vorderräder. 

Kirsten hat ihre alte Hercules aufpoliert. Meine Bemerkung „Oma-Fietse“ beschert mir beinahe die Politur meiner Wange. Lediglich der Hinweis, dass ich ebenfalls einen altersgerechten Untersatz fahre, scheint die Gattin zu besänftigen. Für die Tour habe ich meine „Uropa-Fietse“ flottgemacht, die ich mit ein paar Accessoires zur „Redwine-Edition“ aufgepimpt habe. Im Gusti Leder-Flaschenhalter schlummert seit geraumer Zeit eine Bouteille „Blutsbruder“ vom Weingut Karl May aus Osthofen in Rheinhessen.

Unser Interviewpartner Daniel Zöhler radelt forsch auf den Hof. Da wir Sprache und Laufrichtung der Wolken am Himmel nicht eindeutig verifiziert bekommen, brechen wir auf. Man weiß ja nie, was kommt.

Stopp 1 –  Podiums-Brücke auf dem Kubaai-Gelände

Nach 372 gefahrenen Metern machen wir quasi „umme Ecke“ (wie der Ruhrpöttler sagen würde) halt. Ich drücke den Startknopf des Zoom Aufnahme-Recorders am Lenker meines Batavus. Die ersten fünf Minuten konnte ich später löschen. Beauty-mäßig extrem wertvoll, der Dialog zwischen Kirsten und Daniel zur Lage des Haares heute jedoch von untergeordneter Bedeutung. Uneitel scheint er nicht zu sein, der Stadtbaurat. Ich muss ihm kurz versichern, dass das
Interview nicht als Audio-File veröffentlicht wird. Das „Versprochen, Daniel“ kommt mir unbeschwert über die Lippen. Die mir eigene „unplugged-Schreibe,“
mit der maximal-möglichen Authentizität, stand ja nicht zur Disposition.

Kirsten dirigiert uns näher zusammen. Ich kann endlich mit den Fragen starten:

Daniel, was sollten die Leserinnen und Leser des RADius über diesen Ort wissen?
Wenn du von hier aus in Richtung AaSee schaust, siehst du künstliche Inseln, die dort angelegt wurden. Wir blicken hier in eine echte Freiraumspange. Eine Perspektive, die es wert ist, an- und innezuhalten. Ein einzigartiger Ort zum Verweilen, den wir auch für Veranstaltungen nutzen können. Das wäre mit einer normalen Brücke von zum Beispiel 2,5 Metern Breite nicht möglich gewesen.

Die Dimension der Brücke und deren dahinterliegende Gedanken und Motive werden mittlerweile von vielen Menschen akzeptiert und begrüßt. Hier wurden
inzwischen schon einige Veranstaltungen initiiert und gefeiert. Aber … auch das ist wichtig … sie ermöglicht, dass Fußgänger und Radfahrer sich hier komfortabel
begegnen können.

Apropos Veranstaltungen, ich erinnere das traumhaft schöne Diner en Blanc im Jahre 2019. Kurz nach der Eröffnung der Brücke wäre es schwer denkbar gewesen, einen anderen Veranstaltungsort als diesen hier zu wählen.

So kamen am Samstag, 15. Juni 2019, ca. 100 in weiß gekleidete Menschen hier zusammen, um das sechste „Dinner in Weiß“ in Bocholt als kulinarischer Flashmob zu feiern. Schön zu sehen, wie der Funke auf eine Hochzeitsgesellschaft übersprang, die im nahe gelegenen „Schiffchen“ feierte, wovon einige Gäste auf einen Drink zu uns rüberkamen. Ein wunderschöner Ort für spontane Begegnungen. Impressionen Diner en Blanc

Ich habe die ersten Pläne rund um die Entwicklung des Kubaai-Geländes vor Augen, wo diese Brücke schon ein zentraler Bestandteil des Gesamtprojektes war. 

Das stimmt. Das war immer ein Versprechen, dass die beiden Museumsstandorte miteinander verbunden werden. Losgelöst davon macht es aber auch Sinn, weil die nächsten Querungsmöglichkeiten der Aa relativ weit auseinanderliegen. Einmal an der Uhlandstraße und einmal am Theodor-Heuß-Ring beide nicht sehr komfortabel für die Begegnungen von Fußgängern und Radfahrern.

Das ist an dieser Stelle hier deutlich entspannter und attraktiver. 

Wenn du bitte noch mal auf die angelegten Inseln schaust … da haben wir nichts
gesät. Alles, was dort wächst und entsteht, wurde von der Natur selbst arrangiert. Das wirkt natürlich noch schöner, wenn die Aa wieder im Normalpegel fließen kann. 

Gutes Stichwort, wann dürfen wir uns darüber wieder freuen? 
Das liegt nicht in unserer Hand. Das ist ein sogenanntes „Gewässer I. Ordnung“ und fällt somit in die Zuständigkeit der Bezirksregierung Münster. Aber auch im Zusammenhang mit der derzeitigen Baustelle an und in unserem Rathaus am Berliner Platz gibt es noch einiges zu klären.

Unser Ziel ist, den angestauten Zustand wieder herzustellen. Mit einer Wasserwechsel-Zone und einer Niedrigwasser-Zone, wo sich Wasservögel an Muscheln und Krebsen „bedienen“ können. Das umfasst viele ökologische Facetten, wie das Ganze hier angelegt ist. 

Wir haben unlängst von einem erstaunten Ahauser Paar die Schönheit dieses Geländes und insbesondere dieser Brücke gespiegelt bekommen. Wissen das alle so zu schätzen? 
Wir bekommen sehr viel positives Feedback zu dieser Brücke auch von außerhalb. Das hat uns ermutigt und motiviert, diese Brücke beim deutschen Brückenpreis vorzustellen. Dadurch, dass dieses Projekt durch die „Regionale“ schon gefördert wurde, schloss sich eine Prämierung jedoch aus.

Wenn du Freunde von außerhalb zu Gast hast, gehört dieser Spot dann zu den Punkten, die du gerne zeigst?
Auf jeden Fall. Die Menschen sind sehr begeistert zu sehen, was hier passiert. Insbesondere, wenn man Impressionen heranzieht, wie es früher hier aussah. Die meisten finden dieses Quartier eigentlich cool. Als dieses Projekt seinerzeit initiiert wurde, ist natürlich auch ziemlich viel geredet worden nicht nur positiv. Ich finde es beachtlich, dass es Bocholt gelungen ist, ca. 22 Millionen Euro Fördermittel für dieses Projekt zugesprochen zu bekommen. Aus meiner Sicht eine gute Investition in die Stadt in der wir leben.

Weiter geht’s … der nächste Interview-Stopp lässt nicht lange auf sich warten.

Bei einem Fluß ist das Wasser, das man berührt,
das letzte von dem, was vorübergeströmt ist,
und das erste von dem, was kommt.
So ist es auch mit der Gegenwart.

Leonardo da Vinci

Der Spot gehört zweifellos zu unseren neuen Lieblingsorten in Bocholt. Insbesondere, wenn die Aa in ihrem Normal-Pegel unterwegs ist. Dann, wenn man Leonardos Gedanken (oben rechts) nachdenken kann, ohne in die Hocke zu gehen – fast auf Augenhöhe mit der Aa. Insbesondere abends, zur „Blauen Stunde“ – der Zeit der Fotografen und der „Mit Wein an Aa“-Schlendernden. 
Wir sehen uns.

Stopp 2 –  Versunkene Brücke – am Theodor-Heuß-Ring

Der Sinn dieser Baumaßnahme ist es, als Fußgänger und Radfahrer störungsfrei und und ungefährdet den Theodor-Heuß-Ring zu überwinden. Das ist uns gelungen. 

Es gab viele, die eine Überquerung einer Unterführung vorgezogen hätten, aber das wäre aufgrund der Steigungsprozente an dieser Stelle einfach nicht zu realisieren gewesen. 

Hinzukommt, das wir hier einen Zustand geschaffen haben, der beim Normal-Pegel der Aa echt atemberaubend ist. Es ist beinahe so, als wenn du mit der Hand im Wasser diesen Weg entlangfahren könntest. Der Wasserspiegel ist dann ungefähr zehn Zentimeter unterhalb der Mauerkante.

Diese Passage ist echt spektakulär gerade abends … zur blauen Stunde, dem Licht der Fotografen. Das hat schon was, sich quasi auf Augenhöhe mit der fließenden Aa gen Cafe Imping, den Arkaden, der Neustraße zu bewegen. 

Ist diese Bauart ein Novum?
Nicht im klassischen Sinn, möglicherweise aber in der Art ihrer Umsetzung. Sprich: mit der Möglichkeit, mit der Wasser-Oberfläche direkt in Kontakt zu kommen. Es gibt solche Brücken schon mal, um Seen zu queren, … in der Schweiz zum Beispiel.Davon hat man sich seinerzeit inspirieren lassen. In Bocholt hat man quasi die Not zur Tugend gemacht. Eine Überführung ging halt nicht. Und so blieb am Ende des Tages nur diese Variante übrig, unser Ziel umzusetzen mit einem einzigartiges
Ergebnis. 

Rein praktisch … wer kommt mit einer solchen Lösung um die Ecke?
Das sind Ingenieur-Büros, die versuchen, Lösungen zu finden. Wenn es eine andere Lösung oberhalb der Wasserkante gegeben hätte, hätten wir die gerne genommen. So ein Bauwerk ist schon sehr aufwändig. Alleine schon wegen der Wasser-Rückhaltung wenn man unterhalb der Wasserkante baut.  

Über den Ring, am Amtsgericht vorbei … biegen wir nach links in die Herzogstraße ein. Erinnerungen werden wach. 

Tolle Impressionen, die die Stadt Bocholt uns zur Verfügung gestellt hat. Respekt, Sven Betz, für das „Zeichnen mit Licht“.  Ich hoffe, ich drücke das richtig aus. Falsch wäre zumindest  anzunehmen, dass hier der (K)night-Rider langgedüst sei oder ein High-End-Bike mit fluoreszierenden Fahrspuren.

Stopp 3 – Herzogstraße –  Mobilitätskonzept working-in-progress

In Sichtweite der Schule, wo ich vor ca. 45 Jahren durch Gustav Gründges und Konsorten in die Hohe Kunst der Buchführung eingeweiht werden sollte (der damaligen kaufmännischen Berufsschule heute Berufskolleg „Am Wasserturm“) bekam ich durch Daniel eine Nachhilfestunde in Sachen städtebaulicher Verkehrsführung. 

Daniel, was gibt es an dieser Stelle zu erzählen?
Ihr seht hier durch die Linie, dass Fuß- und Radweg eindeutig getrennt wurden. Auf solchen nah beieinander liegenden, unterschiedlichen Verkehrsflächen kommt es ansonsten vor, dass man sich aus Versehen mit dem Kinderwagen in den falschen Bereich begibt – sprich: dort, wo die Fahrradfahrer fahren oder auch umgekehrt. Bei den sich verändernden Geschwindigkeiten im Radverkehr von zum Teil 20 bis 30 km/h kann das schnell gefährlich werden. Hinzu kommt der Belag, der bis vor kurzem noch begünstigte, dass sich hier Pfützen bilden, die im Winter überfrieren. Das ist eh schon doof, erst recht bei einem stark frequentierten Schülerverkehrsradweg, wie an dieser Stelle. Ihr seht hier gerade aktuell einen Zwischenstand, zwischen altem Belag nebst Markierung und dem, wie es künftig sein wird zwischen Dinxperloer Straße und Adenauerallee. Du wirst gleich feststellen, wenn du mit deinem Rad dort rüberfährst, dass das eine ganz andere Qualität hat. 

Während Daniel sich auf sein Rad schwingt, um seinen Rucksack nebst Laptop in seiner nahegelegenen Wohnung zu deponieren, Kirsten noch ein paar Impressionen vom alten und neuen Radweg schießt, schiebe ich beim Anfahren ungewollt mit dem rechten Knie die „Blutsbruder-Flasche“ aus der Gusti-Halterung. Der frisch modifizierte Fahrradweg an der Herzogstraße erfährt – nahezu unbemerkt von den anderen 73.999 Einwohnern Bocholts – seine  Taufe mittels gereiftem Rotwein. Welche Botschaft möchte mir das Schicksal mit diesem lautstarken Ereignis zuflüstern? Ungefähr sieben Jahre fahre ich diese besondere Flasche Rotwein gelegentlich spazieren. Ca. 200 Meter von meiner damaligen Kaderschmiede entfernt, zerschellt sie samt Inhalt auf dem neuen, durch Daniel gehuldigten Pflaster. 

Das hat zweifellos eine andere Qualität, wie Daniel schon ankündigte es klang zwar laut, aber nicht so laut, wie es auf dem alten Belag wahrscheinlich geklungen hätte.

Rasch mit Max die Scherben  die aufgesammelt … ohne dass die Gefahr bestand, Splitter in der Zunge davonzutragen. Sowohl Anschaffungspreis als auch lange, unsachgemäße  Lagerung des „Blutsbruders“ ließen seinen Verlust verschmerzen. Der Gedanke des Aufschleckens verflüchtigte sich so schnell wie das Aroma des Weines auf dem neuen Belag. 

Stopp 4 – Velo-Route 

Wir fahren durch Gebiete, die uns vertraut vorkommen wie Am Efing, Am Schievegraben … einzig die Käthe-Kollwitz-Straße in der Phönix-Siedlung erscheint uns als Neuland wobei das eigentlich für Vieles in diesem Gebiet zählt. Uns Vertrautes hat sich verändert. 

Daniel bittet uns, anzuhalten. Anhand des Fotos mit uns und unserem Bike-Fuhrpark möget ihr erkennen, wie großzügig diese Velo-Routen angelegt sind. Für Kirsten und mich ein echter Wow-Effekt. Bislang hatten wir den Eindruck, uns in Bocholt ziemlich gut auszukennen, doch diese Entwicklung ist uns bislang verborgen geblieben. 

Daniel, braucht es diese Breite bei dieser Form von Radwegen? 
Wir sehen immer mehr Lastenräder auf unseren Straßen, die brauchen halt Platz. Hinzukommt die Dynamik, die entsteht, wenn immer mehr Menschen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf solchen Wegen unterwegs sind. Da bietet die Breite jederzeit die Möglichkeit, entspannt zu überholen. 

Dazu brauchen wir diese bauliche Moderation, sprich: eindeutige Symboliken wie
diese Piktogramme auf dem Belag, damit jeder erkennt, dass dies ein Fahrradweg ist. Das ist auch wegen der Verkehrssicherheit unheimlich wichtig. Schaut euch an, wie sich die Geschwindigkeiten beim Fahrradfahren durch die Motor-Unterstützung entwickelt haben. Auch solche eLastenfahrräder sind heute richtig schnell unterwegs da sind Geschwindigkeiten über 30 km/h möglich. Da ist man auf solchen Velo-Routen deutlich entspannter unterwegs als auf traditionellen Routen, wo man jederzeit damit rechnen muss, dass sich irgendwo eine Autotür öffnet. Auf diesen Velo-Routen hat jeder den Raum, den er für seine bevorzugte Form der Mobilität benötigt. Hier bewegen sich Familien mit Kinderwagen und Familien, die ihre Kids im Bike-Anhänger transportieren, gleichberechtigt nebeneinander, ohne dass es komisch oder gefährlich wird. 

So gestaltet man heute moderne Verkehrswege. So können auch die Menschen, die ein eBike besitzen, die Geschwindigkeit fahren, die das Rad hergibt. Ich würde mich selbst als durchaus sportlichen Radfahrer bezeichnen ich bin schon ganz zügig unterwegs. Dennoch fahre ich den meisten eBikern im Weg rum.

Für viele ist es wichtig, zügig von A nach B zu kommen. Wir reden ja nicht nur über die Freizeitfahrer, sondern auch über die Pendler, denen wir Anreize schaffen wollen, den Weg zur Arbeit mit dem Rad zurückzulegen und das Auto stehenzulassen. Gleichzeitig will aber auch der Nicht-e-Biker seine Ruhe und seinen Raum haben. Das birgt Konflikte, die diese neuen Fahrradarten mit sich bringen. Das ist die Qualität, die man heutzutage in einer Fahrradstadt schaffen muss, eben diese Konflikte zu lösen. Das macht unsere Stadt aus. Wir haben ein Konzept von insgesamt vier Velo-Routen, aus allen Himmelsrichtungen, wo man als Fahrradfahrer störungsarm bzw. frei in die Innenstadt gelangen kann. Dadurch schaffen wir attraktive Anreize, die es den Menschen leicht machen, aufs Auto zu verzichten.

Geht die Rechnung auf? 
Ja, die Zahlen sprechen da eine deutliche Sprache. Kennst du den Begriff Modal-Split? 

Bislang nicht. 
Modal-Split ist der Anteil der Verkehrsarten am täglich anfallenden Verkehr. Wenn man von einem Modal-Split-Anteil von 10% Fußgänger spricht, ist jeder zehnte Verkehrsteilnehmer ein Fußgänger. Wir haben in Bocholt einen Radverkehrsanteil von über 40%. Das ist schon spitze für eine Stadt dieser Größe. 

Zwischen-Fazit 

Das Wetter hat gehalten – bislang.
Es war ein Mischung aus Vertrautem, Bekannten und gänzlich Unbekanntem. Wir entdecken unsere Heimatstadt gerade vollkommen neu.

Der Stadtbaurat macht ein gute Figur auf dem Rad – sprich: er ist ziemlich sportlich unterwegs. Sehr zum Leidwesen von Max, der wie ein braver Sherpa unsere Ausrüstung im Lastenrad hinter uns herfährt. Ich weiß, wie wir Max wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern könnten eine ausgiebige Lunch-Time im Verlag wäre die Lösung. Auch für uns, die wir vom Radeln hungrig geworden sind … und auch für Daniel, der es für eine gute Idee hält, die restlichen Fragen beim gemeinsamen  Essen zu erörtern.

Wir parken unsere Bikes auf dem Innenhof und unsere „Futterwünsche“ bei Max, der sich um die Beschaffung von Döner, Pizza und Salat kümmert. 

Fortführung des Interviews im Meeting-Raum unseres Verlages

 

Daniel, dein Baujahr?
1983.

… in Oberhausen geboren … habe ich gelesen.
Ja, aber wirklich nur geboren. Mein Heimatort ist Duisburg, dort bin auch aufgewachsen.

Wieviel Räder hast du?
Zwei 

Kann man über Marken sprechen?
Warum nicht. Zumal das schwer zu verheimlichen ist, angesichts der Impressionen, die Kirsten geschossen hat. 

Stimmt. Also, die Bikes stammen von …
… Rose. Ich habe ein Rennrad und das, mit dem ich heute gefahren bin
ein Gravel-Bike.

Wann kommt das erste motorunterstützte Bike?
Ich hoffe, das dauert noch 20 Jahre. Solange ich hier in der Region wohne, brauche ich das nicht. Wenn ich wieder in den alpinen Raum ziehen würde, macht es durchaus Sinn. Ich habe mal sechs Jahre in den Alpen gewohnt, am Bodensee.

Daniel beschreibe bitte deine Funktion bei der Stadt Bocholt, so dass jeder sie verstehen könnte.
Ich bin Beigeordneter für die Bereich Bauen, Umwelt und Verkehr das beschreibt es ein wenig klarer, umfassender als Stadtbaurat.

… und dieses Amt bekleidest du seit wann?
Seit dem 01.09.2017. Ich bin vom Rat der Stadt Bocholt für die Dauer von acht Jahren gewählt worden.

Du warst vorher Stadtplaner in Lindau am Bodensee und in Tettnang.
Genau … ich kann dir auch ein CV schicken, wenn dir das hilft?

Ich nehme einen Anflug von Schelmigkeit in Daniels Mimik war. Zu gerne würde ich kontern leider fehlt mir gerade die rhetorische Munition. 

Zunächst würde es mir helfen, wenn du „CV“ dechiffrierst. 🙂
Ein Curriculum Vitae– sprich: ein Lebenslauf.

Zumindest hat mir diese Nachhilfe-Sequenz geholfen, meinen ausschließlich Asterix-geprägten Latein-Wortschatz um diese Begrifflichkeit upzugraden.

Ich habe sehr schöne Erinnerungen an Lindau. Ein traumhafter Ort, um zu leben und … in meinem Fall: dort Stadtplanung machen zu dürfen. 

Ich habe aus unserem Vorgespräch mitgenommen, dass du dich sehr wertschätzend über deinen Vorgänger Ulrich Paßlick geäußert hast.
Das stimmt. Ich sehe das so, dass ich einen sehr guten Vorgänger gehabt habe, der hier tolle Projekte initiiert hat vor allen Dingen das Kubaai-Projekt. Bei einem Projekt in einer solchen Größenordnung sprechen wir über bis zu zwei Dekaden Laufzeit – sprich: zehn bis zwanzig Jahre. Das ist ein Zeitraum, wo es sehr realistisch ist, dass er die Amtszeit eines einzigen Baudezernenten überdauert. So habe ich den Staffelstab von Herrn Paßlick übernommen. 

Wenn du auf deine bisherige Amtszeit zurückschaust, gab es da richtige Gänsehaut-Momente? 
Was meinst du genau damit? 

Momente, wo man denkt, jetzt können wir mal eine Runde stolz sein. 
Das hat schon mit den Brücken zu tun, die wir uns vorhin angeschaut haben. Sprich:  der Moment, als die Podiums-Brücke eingeschwebt ist und der Tag, an dem die „Versunkene Brücke“ eröffnet wurde. 

Wenn ich weiter überlege, sind es auch viele Projekte, die privat initiiert und gebaut wurden, die wir als Stadt nur unterstützt haben. Wie zum Beispiel das Projekt der Wohnbau Westmünsterland auf der anderen Uferseite, was aktuell losgeht. Oder beispielsweise die Eröffnung der Stadtsparkasse am Neutorplatz. Als dieses Bauvorhaben initiiert wurde, war ich noch gar nicht in Bocholt. Ich durfte später die Bauphase begleiten. Das ist schon toll zu sehen, wenn so etwas fertig gestellt ist und mit Leben gefüllt wird. 

Schwenken wir ins Private. Wo treffen wir dich an, möglicherweise mit dem Rad … wo du sagen würdest, das ist ein Lieblingsspot oder eine Lieblingsstrecke? Gibt es so etwas bei dir? 
Leider habe ich ein sehr geringes Freizeitverhalten mit dem Rad in Bocholt. Ich fahre selbst zwar viel Rad, aber vornehmlich, um von A nach B zu kommen, weniger nur des Fahrens willen. Mein Rennrad kommt seit geraumer Zeit deutlich zu kurz. Sportlich halte ich mich durch Tennis fit. Ausgiebige Radtouren wären deutlich zeitaufwändiger.

Anders sieht das im Urlaub aus, da bin ich unheimlich gerne mit dem Rad unterwegs gerne rund um den Bodensee. Vier Tage sollte man dafür einkalkulieren, das kann ich jedem wärmstens empfehlen. Gerne direkt am Wasser lang. Das ist auch das, was mir hier in der Region gefällt: das Fahren am Aasee oder von der Aa in Lowick bis nach Holland. Da kommt zwangsläufig so etwas wie Urlaubsfeeling auf. 

Bist du im Job ausschließlich mit dem Rad unterwegs oder hast du einen Dienstwagen? 
Ich habe keinen Dienstwagen. Ich bin tatsächlich viel mit dem Rad unterwegs. Aber wenn es aus Kübeln schüttet oder Termine das Tragen eines Anzugs erfordern, fahre ich mit meinem Privat-Pkw zum Büro. So hardcore bin ich dann nicht. 

Bei diesem Ausspruch rückt Fellnase Paula noch näher an Daniels Hosenbein, um weitere Streicheleinheiten einzufordern. Vielleicht ahnt sie, dass gleich Max mit Pizza und Döner eintreffen könnte. Da scheint es aus ihrer Sicht nicht unklug, die Schar der möglichen Häppchen-Teiler möglichst groß zu halten. 

Wem müssten wir eigentlich mal kollektiv Danke sagen, mit Blick auf die Fahrradstadt Bocholt? Wie hat sich Bocholt dahin gemausert? 
Das ist sicherlich der Historie zu verdanken, der Nähe zu den Niederlanden, aber auch den vielen Fahrradhändlern in der Region. Einerseits sorgen die Fahrrad-
händler mit ihren Angeboten dafür, dass wir hier gute Fahrräder haben und anderseits sorgen die Bocholter und die Menschen von nah und fern mit ihrer Kaulust dafür, dass sich so viele Fahrradhändler parallel in unserer Region halten können. 

Unsere ingesamt 18 Fahrradhändler (soviel sind es, glaube ich) werfen noch ein ganz anderes Licht auf die Einkaufsstadt Bocholt, oder? 
In der Tat und zwar aus der Sicht von potenziellen Fahrradkäufern. Ich glaube, dass Bocholt sich dort einen Ruf geschaffen hat, der weit über die Grenzen dieser Region hinausgeht. Die meisten Händler haben Stammkunden auch außerhalb von Bocholt. Das weiß ich aus unseren Gesprächen auf der Messe RadTrends, die wir alle zwei Jahre veranstalten. Die nächste findet wieder im Jahre 2024 statt. 

Der Dank gebührt aber auch den Menschen, die in der Vergangenheit die richtigen Strippen gezogen haben. Auch die Politik hat wichtige Entscheidungen getroffen, Radverkehrsprojekte hier zu fördern, das kostet ja immer auch Geld. 

Wenn du die Außenbereiche, wie Suderwick oder Spork zum Beispiel, außen vor lässt, sind 80-90% der Bocholter Bevölkerung in spätestens zehn Minuten mit dem Fahrrad in der Innenstadt. Das macht Bocholt aus. 

Jetzt wurde die Fahrradstadt Bocholt schon sechsmal als solche ausgezeichnet ,richtig?
Das ist richtig, die aktuelle Umfrage läuft jetzt gerade wieder, noch bis Ende November. Wir sprechen da über den Fahrradklima-Test des ADFC (ADFC steht für Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club).

Ist eine solche Auszeichnung für eine Stadt „Schmuck am Nachthemd“ – sprich:  schön zu haben, aber nicht zwingend notwendig? Oder ist das ein Mehrwert, den man nutzen sollte? 
Das hat sich aus meiner Wahrnehmung verändert. Früher hat man so etwas einfach gerne mitgenommen, es war eine Selbstverständlichkeit. Dadurch, dass es heute viele Städte gibt, die sich darum bemühen, diesen Preis zu bekommen, hat er eine Aufwertung erfahren. Städte wie Konstanz oder Nordhorn zum Beispiel, die haben richtig investiert. Die zählen jetzt zu den härtesten Konkurrenten in unserer Größenordnung. 

Beim letzten Mal sind wir „nur“ Zweiter geworden, hinter Nordhorn. Jetzt würden wir gerne wieder an die Spitze. Ob uns das gelingt, kann man schlecht prognostizieren. Wir tun derzeit echt viel, wie ihr vorhin auf unserer Tour gesehen habt. Aber für die Dauer der Baumaßnahmen führt das erst einmal zu Beeinträchtigungen und Behinderungen, was die Umfrageergebnisse negativ beeinflussen könnte. Erst nach deren Abschluss tragen sie zur Verbesserung der Infrastruktur bei. 

Aus dem Mobilitätskonzept, was Jan Diesfeld uns zugesandt hat, habe ich 216 Kilometer Radweg-Netz rauslesen können. Ist das noch aktuell? 
Die Zahl verändert sich nicht so stark. Vieles von dem, was wir uns vorhin angeschaut haben, sind vornehmlich bestands-verbessernde Maßnahmen. Neues
entsteht zum Beispiel durch die Velo-Routen. Da schaffen wir etwas, was vorher nicht da war.

Was wäre aus diesem Konzept noch wichtig? 
Momentan arbeiten wir daran, mehr Abstellmöglichkeiten für hochwertige Fahrräder. Das ist aber leider nicht so lzu generieren. Weil die gebaute Infrastruktur die
Möglichkeiten begrenzt. Dinge in unsere Stadt „reinzuzaubern“ ist manchmal schwierig: Da  stellen uns bisweilen schon das Pflanzen eines Baumes oder die
Aufstellung einer Parkbank vor Herausforderungen weil wir kaum Platz haben. 

Blue-Hour-Shot mit dem Handy – während einer abendlichen Radtour durch Bocholt. 
Also, die neu aufgestellten Bänke hier, am Ufer der Aa, finden wir klasse. Genau wie die gesamte Gestaltung dieser Seite des Ufers – mit den Verweilmöglichkeiten direkt am Wasser. 
Ein idealer Ort für eine Rast, ein Picknick … mit einem grandiosen Cappuccino in Reichweite. #welikecafeimping
Foto: Roland Buß

Daniel, was bitte dürfen wir uns unter „Fietsenflicker“ vorstellen?
Das sind öffentliche Fahrrad-Reparatur-Stationen, wovon wir drei Stück im Stadtgebiet haben. Wenn man eine Panne hat, kann man dort sein Fahrrad unkompliziert selbst reparieren. Ein Service, der insbesondere unseren auswärtigen Gästen zu Gute kommt. 

Sag mal, bist du die Aa schon mal von der Quelle bis zur Mündung abgeradelt?
Bislang noch nicht. Ich bin zwar mit dem Rad schon bis Amsterdam gefahren, aber die Aa-Route noch nicht in Gänze. 

Bist du ein visueller Mensch?
Wenn du damit die Fähigkeit meinst, in Plänen zu lesen, um mir dann vorzustellen, wie das später in der Realität aussieht … dann darfst das bei mir annehmen. 

… alles andere wäre auch verwunderlich, in deiner Funktion. Ich ziehe die Frage zurück.
Lautes Schmunzeln 

Lass mich anders anfangen … wann wird Kubaai noch greifbarer sein?
Wenn das „Lernwerk“ fertig ist, also im Frühjahr. Die Wohnbebauung im Kubaai wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren weiter wachsen. Aber die „großen Anker“ … so will ich sie mal bezeichnen, sind schon gesetzt.Das, was wir als Stadt im Kubaai-Projekt bauen wollten, ist zu 80-90% fertiggestellt. Nach uns kommen die privaten Investoren. Das Hotel neben den „Lernwerk“ wird privat gebaut. Ibena wird privat gebaut … 

Dem Interviewten gebührt das letzte Wort. Daniel, was wäre dir noch wichtig?
Mir ist das Verständnis füreinander wichtig und die gegenseitige Rücksichtnahme der Menschen, die sich auf unseren Straßen, Wegen und Plätzen begegnen. Das kommt manchmal ein wenig zu kurz aber sie ist so wichtig. Ich fände ein Miteinander auf den Straßen toll. Wir können uns als Stadt Mühe geben, das möglichst gut zu moderieren, sprich: baulich zu gestalten … aber irgendwann ist die Verantwortung eines
jeden Einzelnen gefragt. 

Daniels Schluss-Statement erinnert mich an meine Premiere mit unserem Lastenrad vor wenigen Wochen.

Von unserem Verlag ging es über die Rheder Straße und dann die alte Bahntrasse entlang zum Stadtwald. Das Teil ist echt gewöhnungsbedürftig, weil es eine vollkommen andere Art des Fahrens ist. Du bist viel näher dran, alles wirkt unmittelbarer. Du hast wenig Möglichkeiten kleine Fahrfehler, zu
korrigieren. 

Mir ist bei diesen Ausfahrten aufgefallen, dass viel mehr kommuniziert wird, als früher. So nach dem Motto „Fahr mal, auch wenn ich von rechts komme, du hast gerade den offensichtlich schwierigeren Job auf dem Rad.“ Ich fand das sehr erhellend und wohltuend. 

„Die Menschen reisen in fremde Länder und staunen über die Höhe der Berge, die Gewalt der Meereswellen, die Länge der Flüsse, die Weite des Ozeans, das Wandern der Sterne; aber sie gehen ohne Staunen aneinander vorüber.“

 

Augustinus Aurelius

Stadt Bocholt
Kaiser-Wilhelm-Straße 52-58, 46395 Bocholt
Tel.: 02871/953-0
stadtverwaltung@bocholt.de
www.bocholt.de