Bernd Schierenberg –
„Mister Shimano“
Was verbirgt sich hinter
„Steil ist geil“?
Freitag, 18. November 2022 I 16:00 Uhr I Meetingraum MÜ12 Verlag
Wenn man in neue Materien vorstößt, ist man gut beraten, in die Szene einzu-
tauchen, die man im Fokus hat. Das weiß ich aus den Jahren 2008 bis 2019, als es darum ging, Garagen- und Boutique-Weine in Südafrika aufzuspüren, deren Macher kennenzulernen und deren Stories aufzusaugen.
Von dieser strategischen Recherche haben wir im Jahre 2021 profitiert, als wir uns mit einem Hausboot-Projekt in Hamburg beschäftigen durften.
Wir haben gelernt, dass es neben Selbstlern-Prozessen unerlässlich ist, die Menschen aus dem InnerCircle der jeweiligen Szene zu identifizieren und deren Erfahrungen und Wissen einzubeziehen. Insbesondere bei diesem BikeMagazin, wo unsere letzten ernstzunehmenden Ausfahrten elf Jahre her sind. Vom Brunnen der Erleuchtung waren wir zu Beginn unserer Recherchen so weit entfernt wie vom Bernsteinzimmer.
Unser Ansatz: Unsere Netzwerke ins Schwingen bringen und … ganz wichtig … reden, reden, reden! So war es auf der Ausfahrt mit meinem Freund Norbert nach Winterswijk, wo klar wurde, dass wir unbedingt seinen Freund Bernd Schierenberg kennenlernen sollten. Warum? Weil er ein feiner Kerl sei, leidenschaftlicher Biker, Komoot-User, Rose-Mitarbeiter und Willingen-Tour-Organisator. Fünf gute Gründe, Bernd anzutickern, um ein Meeting zu vereinbaren. Insbesondere der erste Aspekt ist uns wichtig. Alles andere
ergibt sich schon.
Unser Einstieg in das Gespräch, die Abklärung des privaten Umfeldes meines Gegenübers:
Bernd (Baujahr 1971) ist mit Anja verheiratet. Beide sind Eltern von Meike (19) und Sophie (21). Bereichert wird die Familie durch den vier Jahre alten Milo, den Hund, den sie von Ibiza mitgebracht haben – oder gelegentlich mit nach Ibiza nehmen?
Memo an mich selbst: Ich muss dringend an der Lesbarkeit meiner Notizen arbeiten!
Mein Eindruck bestätigt sich, als ich von Bernd darauf hingewiesen wurde, dass Milo definitiv nicht von Ibiza stammt, er noch nie dort war, Bernd und ihn auch nicht dorthin mitnehmen würde.
Halbwegs lesbar ist, dass Familie Schierenberg immer die Fietsen mit in den Urlaub nimmt, sei es in die Berge oder an die Nordsee.
Bernd, auf deinem LinkedIn-Profil steht: Manager Bikecomponents & Bike Handover bei ROSE Bikes.
Das ist richtig. Ich bin seit 36 Jahren in diesem Unternehmen. Unter anderem bin ich auch für Bike-Fittings zuständig.
… der optimalen Einstellung des Bikes auf den Körper des Fahrers.
Genau. Das ist wichtig, um die Kraftübertragung zu optimieren, um effektiv unterwegs zu sein. „Gut eingestellt“ beugt einer vorschnellen Übermüdung vor und einer möglichen Überlastung der Gelenke.
Bei meiner Vorbereitung auf das Interview mit Bernd habe ich auf FaceBook dieses Testimonial eines Kunden entdeckt:
„Ich nenne ihn immer Rose’s Mr. Shimano.
Es gibt nix, was er nicht weiß, und wenn er was nicht weiß, schaut er so schnell nach, dass man denkt, er weiß es trotzdem.“
Netzfund – FaceBook
Okay, Mr. Shimano, auch bei dir der Blick in die Garage, den Fahrradkeller. Wie viele Bikes finden wir dort und vor allem, welche?
Drei Bikes von Anja. Ich besitze derzeit fünf Stück. Ein Mountain-Bike, ein Trecking-Rad, ein Rennrad, ein Gravel-Bike und ein Inkognito-eBike.
Mit den ersten vier Bikes kann ich etwas anfangen, das letzte müsstest du bitte erklären.
Das ist ein SNEAK Plus aus unserer ROSE-Range. Da ist der Akku im Rahmen verbaut – sehr minimalistisch, sehr leicht. Für den Außenstehenden schwer als eBike zu erkennen, damit bist du eher undercover unterwegs.
Wenn du dich auf ein Bike konzentrieren müsstest, welches würdest du wählen?
Das Gravel-Bike, weil es im Grunde genommen vier Räder in einem vereint.
Ich habe unlängst die Liebe zu meinem Multisport-Trekkingrad aus eurer Schmiede neu aufleben lassen. Bei einer Ausfahrt mit unserem gemeinsamem Freund Norbert nach Winterswijk musste ich auf dem Rückweg resümieren, dass ich zwar noch Bio-Bike-kompatibel bin, aber Geschmeidigkeit und Fahrspaß mit jedem Kilometer weniger werden. Welche Empfehlung hat der BikeFitter Bernd für mich parat?
Unweit der Zielgruppe 60 Plus wärest du prädestiniert für ein eGravel-Bike, die Teile sind voll im Trend, wie beispielsweise unser Backroad-Plus.
Wichtig ist, dass das Teil anhängerkompatibel ist, weil unsere Fellnase uns begleiten soll.
Da hängst du einen Cruiser dahinter und los geht’s.
Ich werde mich damit beschäftigen, versprochen. Dennoch trenne ich mich ungerne von Liebgewonnenem, Bewährtem, sprich: meinem Multisport. Das würde ich gerne behalten. Ich habe festgestellt, dass es beim Schalten ein wenig hakt. So ist das halt, wenn man in die Jahre kommt, oder?
Buch dir einfach online einen Termin bei uns, dann nehmen wir das gute Stück mal unter die Lupe.
„Ich bin ein Cycloholic.“
Claudio Chiappucci
Mach ich. Lass uns über dein Fahrverhalten sprechen. Wie viel Kilometer reißt du ihm Jahr so ab?
Zwischen 15.000 und 17.000 Kilometer, wenn ich die Spinning-Kilometer mitrechne.Bei meiner Frau Anja sind es zwischen 5.000 und 6.000 Kilometer.
RESPEKT. Das klingt nicht nach nur Schönwetterfahrer, oder?
Nein. Das sind die täglichen Wege zur Arbeit, die ich nicht vom Wetter abhängig mache, und die vielen Freizeitaktivitäten mit dem Rad.
Lass uns bitte an einigen teilhaben.
Zu den Highlights gehört sicherlich die Teilnahme am 24-Stunden-Rennen auf der alten Nordschleife des Nürburgrings, dort, wo Niki Lauda seinerzeit verunfallt ist. Dort fahren wir einen 26 Kilometer langen Rundkurs, mit 560 Metern Höhenunterschied. Bei den Abfahrten erzielen wir zum Teil Geschwindigkeiten von 100 km/h, die in der sogenannten „Fuchsröhre“ gemessen wurden. Im Zusammenspiel mit den Steigungen von bis zu 17 Prozent ein sehr anspruchsvoller und abwechslungsreicher Kurs.
Wieviel Menschen gehen dort an den Start?
Der Rekord liegt, glaube ich, bei ca. 9.200 Startern. Man ist dort als 4er-Team unterwegs. Jeder fährt somit sechs Stunden. Am Tag wechseln wir nach jeder Runde, in der Nacht fährt man zwei Runden am Stück. Ich meine, vor einiger Zeit auf FaceBook gesehen zu haben, dass Phil Bauhaus immer noch den Rekord für die schnellste Start-Runde hält. Er müsste damals 16 Jahregewesen sein.
Mir hängen die 100 km/h Schussfahrt auf einem Rad immer noch in den Synapsen rum. Geht es auch etwas beschaulicher?
Natürlich, wir sind auch gerne in der Region um Freiburg mit dem Rad unterweg, dem Dreisamtal-Radweg, die A3 für Radfahrer, wie man so sagt. Aber natürlich auch in der Region. Zum Beispiel mit den Dienstags-Radlern oder auch „Bokelt up de Fietse“, wie die Truppe auf FaceBook genannt wird.
FaceBook-Gruppe „Bokelt up de Fietse“
Dort findet man auch Komoot-Strecken, die von Franz Thielkes, dem ehemaligen Vorsitzenden des RC 77, angelegt wurden.
Lass uns über Komoot sprechen. Was muss ich als Neuling darüber wissen?
Komoot ist DAS Medium für Biker. Ich schätze, dass 95% aller Radsportler damit vertraut und unterwegs sind. Während früher Navi-Geräte fürs Bike nachgefragt wurden, kommen die meisten Menschen mittlerweile zu uns und wollen Handyhalterungen. Komoot ist mit allen gängigen Endgeräten kompatibel, auch mit der Apple Watch.
Wie kannst du dir den Boom erklären?
Es gibt viele Biker, die wollen einfach nur fahren und sich wenig mit der Tourenplanung aufhalten. Sie lieben es, Touren „blind“ nachzufahren, die ihnen auf Komoot vorgeschlagen werden. Ich bin da anders unterwegs. Ich starte ganz gerne mit diesem Medium und folge der Route. Aber wenn es rechts schöner aussieht,
biege ich rechts ab. Ich halte mich nicht sklavisch an die Technik bzw. die Routen, sondern folge auch gerne meinen Augen und meinem Gespür.
Aber ansonsten ist Komoot schon genial. Ich bin auch schon von hier bis nach Freiburg gefahren, und habe mich zu 100% von Komoot leiten lassen.
Ich weiß von Norbert, dass du seit langer Zeit Touren nach Willingen organisierst.
Das stimmt, das hat vor ca. 20 Jahren angefangen. Damals habe ich mit Jürgen Stratmann, im Vital-Fitnessstudio von Markus Kock in Rhede, diese Idee ersonnen.
Gehen wir 20 Jahre zurück. Das war damals die Zeit, wo Mountain-Bikes und der Sport drum herum boomten. Unser Unternehmen Rose wechselte gerade vom Brand Red Bull auf die Eigenmarke Rose. Als ich Erwin und Thorsten von der Idee eines Mountain-Bike-Camps in Willingen erzählte, wurden wir maximal supported
von Rose. Wir bekamen Trikots und Mountain-Bikes zur Verfügung gestellt.
Mit wie viel Teilnehmern seid ihr nach Willingen aufgebrochen?
Damals mit 35 Personen. Davon ist immer noch ein harter Kern von ca. 20 Bikern übriggeblieben. Es gibt eine WhatsApp-Gruppe dazu …
… mit dem Namen?
„Steil ist geil“ – das steht auch auf unseren Trikots. Wir fahren jedes Jahr um Vatertag herum eine Woche nach Willingen. Dort quartieren wir uns in einem alten Kinderheim ein. Ein sehr urbanes Ferienhaus, wo wir uns selbst verpflegen. Nach einem gemeinsamen Frühstück geht’s aufs Rad. Wenn wir abends zurückkehren, genießen wir Brotzeit und Bierchen, bevor es am nächsten Tag wieder ins Gelände geht.
Mit Komoot?
Nein, mit Clemens. Dazu musst du wissen, dass die Pättkes dort Single-Trail heißen und man gut beraten ist, dort einen erfahrenen Scout vor sich zu haben, der
jeden Stein und jede Wurzel kennt.
Clemens war schon zu Beginn unserer Willingen-Story ein „älterer Herr“. Er dürfte mittlerweile über 80 Jahre alt sein – aber immer noch topfit. Clemens ist ein hervorragender Geschichtenerzähler und extrem gut vernetzt in der Region. Er ist sehr beliebt bei den Betreibern der Hütten, bei denen wir einkehren. Ein
echtes Unikat, der Mann. Es gibt schon besondere „Vögel“ auf dem Rad …
… das klingt nach Wissen, dem Worte folgen könnten …
Markus Kock zum Beispiel, der ist auch ziemlich Bike-bekloppt, im positivsten Sinne. Der animiert uns gerne auch mal zu einem Night-Ride zum „Schwarzen
Wasser“ nach Wesel. Oder kennst du Armin te Grotenhuis?
Bislang noch nicht …
Armin ist ca. 60 Jahre alt, er arbeitet bei uns in der Logistik …
Auch BB?
Was heißt das?
Bike-bekloppt …
Ja, aber auch im positiven Sinne – aber so richtig bekloppt. Der fährt Brevet!
Eine Bike-Marke?
Nein, das sind Langstreckenfahrten von 300 bis 1.000 Kilometer an einem Stück.
Armin ist Bayern-Fan. Aber eher ein militanter, um es genauer zu beschreiben. Der setzt sich auch schon mal aufs Rad und radelt nach München, mit der Absicht, Uli Hoeneß den Kopp zu waschen. Den Armin mussten wir beim 24-Stunden-Rennen schon mal vom Rad ziehen, weil er komplett in seinem Tunnel unterwegs war, sprich: vergessen hatte, sich ablösen zu lassen.
Das klingt wirklich nach einer spannenden Story – vielleicht für den RADius II.
Ich fände das klasse, wenn ihr solche Cycle-Stories in eurem Magazin kultivieren würdet.
Das machen wir gerne, lieber Bernd. Zum Abschluss, muss noch etwas raus? Gibt es noch eine wichtige Botschaft, die du mit uns teilen möchtest?
Ohne jetzt wie ein Weltverbesserer oder wie ein Verkäufer rüberzukommen: Für mich gibt es wesentliche Motive, anders über das Thema Radfahren zu denken.
Hau raus!
In Zeiten, wo der Liter Diesel zwei Euro kostet, kann der Umstieg aufs Fahrrad nebst dessen Anschaffung für den einen oder anderen wirtschaftlich durchaus Sinn machen. Und nebenbei ist man an der frischen Luft unterwegs, als aktiver Part der Energiewende.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Auch ich denke seit unserer Auseinandersetzung mit diesem Magazin anders über das Thema Radfahren. Merci für deine Impulse und deine Zeit.